Tiergestützte Intervention - im Gespräch mit Tanja Krämer
Hallo, schön dass du reinschaust.
Heute möchte ich dir etwas über einen ganz tollen Therapieansatz erzählen. Oder besser, erzählen lassen. Unsere Kollegin Tanja bildet nämlich gerade ihren Hund Kelwitt zum therapeutischen Begleiter aus, um später mit ihm auch im nestwärme Kontext zu arbeiten. Tiergestützte Interventionen spielen eine zunehmend bedeutende Rolle in der Therapie und Rehabilitation. Sie nutzen die positive Wirkung von Tieren, insbesondere Hunden oder Pferden, um emotionale, soziale und psychische Gesundheit zu fördern. Wie genau das aussieht, wollten wir von Tanja wissen.
Tanja, schön, dass du da bist. Magst du dich einmal kurz vorstellen?
Vielen Dank für die Einladung! Mein Name ist Tanja Krämer und ich bin bei nestwärme im Bereich der stationären Einrichtungen tätig. Ich betreibe außerdem eine Hundeschule, die „Hochwaldschnüffler„.
Jetzt erzähl mal. Was bedeutet denn eigentlich tiergestützte Intervention?
Der Überbegriff tiergestützte Intervention bezeichnet verschiedene Aktivitäten und Angebote in den Bereichen Pädagogik und Therapie, in denen Tiere eingebunden sind. Am Beispiel Hund lassen sich viele Einsatzmöglichkeiten aufzeigen.
In der tiergestützten Pädagogik werden Hunde in Schulen, Kindergärten, Heimen oder ähnlichen Institutionen von Fachkräften weitgehend für erzieherische Ziele und zur Förderung eingesetzt. In der tiergestützten Therapie werden beispielsweise Hunde in der Logopädie oder Ergotherapie eingesetzt und erfüllen dort verschiedene Zwecke und Ansätze als Unterstützer der therapeutischen Fachkräfte. Hingegen werden in der Tiergestützten Förderung die Hunde auch von Personen ohne pädagogischen oder therapeutischen Berufshintergrund zur Beobachtung oder im direkten Kontakt eingesetzt, um beispielsweise eine gemeinsame Challenge zu meistern. Typisch hierfür wären auch die Tierbeobachtungen bei Schulausflügen mit dem Förster. Tiergestützte Aktivitäten wie Besuchsdienste in Senioren- und Pflegeheimen oder Wanderungen fallen ebenfalls unter diese Kategorie.
Abschließend seien noch die ausgebildeten Berater und Coaches genannt, welche Tiergestütztes Coaching in der Arbeit mit ihren Klienten oder Gruppen einsetzen.
Was ist das Besondere an der tiergestützten Intervention und was kann man damit erreichen?
Hunde begegnen uns wertfrei, ehrlich und authentisch. Dadurch entwickelt sich zwischen Menschen und Hunden schnell eine unverfälschte Beziehung. Der Mensch fühlt sich vom Hund geschätzt und so angenommen, wie er ist. Einige von vielen Zielen, die mit der tiergestützten Intervention verfolgt werden, sind die Förderung eines positiven Selbstwertgefühls und Selbstbildes, der Ausdauer und Konzentration, die Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens, die Minderung sozialer Isolation und die Förderung von körperlichen, geistigen und sprachlichen Fähigkeiten. Der Hund fungiert dabei als Brückenbauer oder Co-Therapeut, als Eisbrecher oder Türöffner in der Kommunikation und animiert den Menschen dazu sich leichter für Therapien, Hilfsmittel und Maßnahmen zu öffnen und zugänglicher zu werden. Selbst Schmerzen können im Kontakt mit dem Hund vermindert wahrgenommen und Heilungsprozesse wirksam unterstützt werden.
Erkläre uns bitte den Unterschied zwischen der tiergestützten Intervention und dem häufig verwendeten Begriff Therapiehund.
Der Therapiehund ist quasi eine Unterkategorie im Bereich der Tiergestützten Intervention.
„Therapiehund“ oder „Therapiebegleithund“ sind keine geschützten Begriffe, das bedeutet staatliche oder einheitliche Vorgaben zur Ausbildung gibt es nicht. Der Assistenzhund, der für Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten beispielsweise als Blindenhund oder Diabetikerwarnhund ausgebildet wird und mit dem Menschen zusammenlebt, wird auch gerne mal mit dem Therapiehund verwechselt.
Was sind die Ausbildungsmeilensteine?
Im Groben würde ich sagen ist eine positive Verknüpfung zu Menschen und Gruppen eine Grundvoraussetzung. Der Hund sollte die Grundsignale wie Sitz, Platz etc. sicher beherrschen. Wichtig ist zudem, das Erlernen von Warten können und Ruhe bewahren bzw. nach einer aufregenden Aktivität wieder zur Ruhe kommen zu können.
Außerdem sollte der Hund umweltsicher sein, um sich souverän in seiner Umgebung bewegen zu können. Das wäre in Kelwitts Fall zusätzlich auch das Kennenlernen von Rollstühlen, Desinfektionsmittelgerüchen und diversen Geräuschen von medizinischen Geräten. Auch an ungelenke und plötzliche Bewegungen müssen die Hunde für den Umgang mit Kindern oder behinderten Menschen erst gewöhnt werden.
Kelwitt kommt aus einer Züchterfamilie mit Kindern und hat bereits mehrere kurze Treffen mit Kindern und Jugendlichen im kleineren Rahmen absolviert, um sich an Kindergruppen zu gewöhnen und später gut mit ihnen interagieren zu können.
Das Wichtigste, und das wird bei den Anforderungen an den Hund weniger beachtet, ist, dass der Mensch entsprechend geschult ist. Dass er die Körpersprache und das Ausdrucksverhalten des Hundes lesen kann und auch Stresssignale erkennt. Dass er auch das Lernverhalten des Hundes kennt und sich bewusst ist, welche Anforderungen bei der jeweiligen Zielgruppe an das Hund-Mensch-Team gestellt werden.
Wie, wo und bei wem wird Kelwitt nach seiner Ausbildung eingesetzt?
Kelwitt wird voraussichtlich überwiegend für pädagogische Zwecke und tiergestütztes Coaching in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und sozialen Institutionen eingesetzt werden. Dazu habe ich im Rahmen meiner Hundeschule das Angebot Hochwaldschnüffler-KIDS erarbeitet. Ferienfreizeitmodule wie Erlebniswanderungen, Geocaching oder Fotosafaris können zusätzlich gebucht werden, wenn wir bereits mit der Gruppe bekannt sind.
Im nestwärme Kinderhospiz wird Kelwitt nach Bedarf die Kinder im Einzelkontakt oder in der Gruppe besuchen um sie spielerisch zu fördern, einen Spaziergang zu begleiten oder beim Vorlesen mit dabei sein. Allein die Anwesenheit des Hundes kann bereits positive Auswirkungen auf das erkrankte Kind haben.
Kelwitt ist jung und wird noch viel lernen. Im Team wird sich zeigen, wo seine Stärken und Schwächen liegen. Danach werde ich unsere Angebote ausrichten, damit Kelwitt sich im Einsatz sicher und wohl fühlt.
Warum ist Kelwitts Rasse gut für diese Ausbildung geeignet?
Ich möchte nicht behaupten, dass eine bestimmte Rassezugehörigkeit automatisch einen guten TGI-Begleithund ausmacht. Grundsätzliche Voraussetzungen für ein gutes Hund-Mensch-Team sind nicht nur eine gelungene Sozialisation und solide Erziehung des Hundes, sondern auch eine fundierte Ausbildung für Hund und Mensch. Dennoch eignen sich menschenbezogene Gesellschafts- und Begleithunde oder Arbeitshunde, die für die Zusammenarbeit mit dem Menschen gezüchtet wurden, da sie von ihrem Wesen her eine günstige Veranlagung mitbringen. Deshalb sieht man häufig den Labrador, Golden Retriever, Australian Sheperd oder den Border Collie im Einsatz. Kelwitt ist ein Amerikanischer Collie. Diese Collies sind für ihr Einfühlungsvermögen und ihre Sensibilität bekannt und werden häufig im therapeutischen und pädagogischen Bereich eingesetzt.
Tanja, vielen Dank für das interessante Gespräch und den Einblick in eure Arbeit!