Netter alter Mann - vol. 2
oder: ein (ANTI) Social Media Beitrag
Was war das noch schön, als der nette alte Mann (hier lesen) jene Begegnung im Zusammenhang mit Fine war, die mir am meisten nachgegangen ist. Heute, nur ein paar Wochen später, bin ich um eine Erfahrung reicher, die meine Hoffnung ärmer gemacht hat. Heute erzähle ich von Verrohung der Umgangsformen, Anonymität im Netz und die Auswirkungen dieser Entwicklung.

Anonymität im Netz birgt viele Gefahren
Netiquette? Fehlanzeige
Durch einen Artikel in der hiesigen Tageszeitung wurde ein öffentlich-rechtliches Medienunternehmen auf uns aufmerksam und fragte uns für eine kleine Fernsehreportage an. Der Autor war an Fines Leben, aber auch an unserer Haltung interessiert und ging gemeinsam mit dem Kamerateam sehr behutsam mit uns um. Nach Ausstrahlung im lokalen Abendprogramm kamen viele positive Rückmeldungen. So entschieden wir uns nach Anfrage, dass der Beitrag auch bei Facebook veröffentlicht werden darf.
Hier hatte er eine große Reichweite. Es gab über 2500 Likes, Herzchen und viele mutmachende, anerkennende oder einfach nette Kommentare.
Und nicht so nette.
Solche, die Fines Leben in Frage stellen. Solche, die uns als Eltern in Frage stellen. Das klingt jetzt erstmal nicht so schlimm. Schließlich sind wir nicht von vorgestern und haben uns natürlich auch über Fines Leben und ihren Lebenswert Gedanken gemacht. Tatsächlich sind wir immer wieder dazu angehalten, weil Fines Leben das nunmal mit sich bringt. Dennoch haben uns Kommentare wie „Lasst sie doch sterben“ und Ratschläge, dass es „Ärzte und Medikamente gibt, die sowas machen“ zutiefst geschockt. Dabei haben sie uns nicht mal sonderlich als Eltern von Fine berührt, denn sie waren dermaßen respektlos und daneben, dass wir sie als diese gar nicht annehmen konnten. Als Mitglieder unserer Gesellschaft haben sie uns hingegen stark erschüttert. Ich kann und möchte den Tenor des Mobs hier gar nicht wiedergeben, denn ich würde mich von Angeboten aus der Verlagsgruppe Springer nicht mehr retten können. Aber, soviel sei gesagt, ist den Menschen, die die 1,5 minütige Zusammenfassung der Reportage angeschaut haben glasklar, dass Fines Leben nicht lebenswert ist und wir als egoistische Eltern mit dieser „Übermedizin“ aufhören sollen, damit das Leid ein Ende hat. Eigentlich wird ihr von den meisten Protagonisten abgesprochen, dass sie überhaupt lebt. Und, um den Kreis zu schließen, haben sie ebenso wie der nette alte Mann natürlich auch tolle selbstständige Kinder, die gesund sind und eine Ausbildung machen.
Echt jetzt?
Herzlichen Glückwunsch. Ihr seid wirklich ganz tolle Mitglieder der Gesellschaft. Oder sollte ich eher der Bevölkerung sagen? Denn eine Gesellschaft bedeutet für mich etwas anderes. Eine Gesellschaft bedeutet für mich, dass Menschen miteinander verbunden sind und sozial interagieren.
Und bitte verkauft es mir jetzt nicht als sozial, dass ihr Fine „erlösen“ wollt. Denn anders als es möglicherweise bei alten oder erkrankten Menschen ist, die des Lebens müde sind und dies auch klar äußern können, kann Fine das so klar nicht. Zudem kennt sie es nicht anders. Vielleicht fragt sie sich sogar, warum um sie herum so viele Menschen gestresst umherlaufen und freut sich ihres Lebens darüber, dass sie wenig Leistungsdruck und viel bedingungslose Liebe und Zuwendung bekommt. Wer weiß? Sie kann es nicht sagen. Sie kann ihr Leid äußern, was wirklich eher selten ist und sie kann ihre Zufriedenheit zum Ausdruck bringen, was sie tut. Wir begleiten sie auf ihrem Lebensweg. Richtig – auf ihrem Weg. Es ist ihr Leben und daher liegt es auch nicht an uns, darüber zu urteilen oder für sie zu entscheiden. Was übrigens in allen Fällen die Aufgabe von Eltern sein sollte. Nicht einen erwünschten Weg auf ihre Kinder zu projizieren und sie in die gewünschte Richtung drängen, sondern sie auf ihrem Weg zu begleiten.
Und glaubt mir, es gibt ärmere Kinder als Fine. Die, obwohl sie jeden Tag alles daran setzen alles „richtig“ zu machen, es nicht schaffen den Erwachsenen gerecht zu werden. Erlösen wir die auch von ihrem Leid?
Lasst sie uns erlösen
Ja, lasst sie uns erlösen. Die Kinder. Und lasst uns auch Fine erlösen!
Lasst uns uns alle erlösen von Egoismus, Diskriminierung, Ausgrenzung und Ignoranz!
Alle Menschen sind es wert, gesehen zu werden und sich individuell und so selbstbestimmt wie möglich entfalten zu dürfen.
Auch wenn die Merkmale, die die Besonderheit anderer ausmachen uns selbst ungewohnt sind, ist Toleranz das Mindeste, was wir entgegen bringen können.
Lasst uns offen sein für die Vielfalt, die unser Leben bunter macht und uns, noch besser, solidarisch gegenseitig unterstützen und bereichern.
Habt ihr auch schon solche Erfahrungen mit Reaktionen oder Äußerungen von Mitmenschen gemacht? Welche waren positiv und welche haben euch verletzt oder verärgert? Was würdet ihr euch von anderen Menschen wünschen? Teilt es mit uns in den Kommentaren.
Liebe Anke, es tut mir leid, dass ihr solche Kommentare lesen müsst und es macht mich auch wütend. Deine Worte haben es so auf den Punkt gebracht. Danke.
Danke Anke ❣️✌️
Liebe Anke,
ich großen Respekt vor dir und deiner Familie. Wir durften uns bei einem Nestwärme Seminar vor einigen Jahren persönlich kennenlernen. Ich bewundere deine Kraft und positive Energie. Ich wünsche euch als Familie noch viele positive Erfahrungen, genießt die Zeit mit Fine. Ihr seid spitze