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Anke und Fine, die sich in die Augen schauen

Diese Worte entwickeln sich aus Gedanken, die mir in den Kopf geschossen sind, weil mein Mann mir dieses Bild von Fine und mir geschickt hat.  Er hat es letzte Woche von uns geknipst.  

Ich bin gerührt. Ich liebe es. Es ist großartig und wundervoll für mich. Und es regt mich zum nachdenken an. Denn darauf sind wir auf Augenhöhe abgebildet. Das ist zu schön und ich frage mich, wie es neben dem Schnappschuss in unserem echten Leben wohl so mit der Begegnung auf Augenhöhe aussieht. 

Mindestens ein „Sie war stets bemüht“ sollte man mir bestimmt zugestehen. Aber schauen wir ein bisschen genauer hin. Auch wenns vielleicht weh tut. Denn, wenn ich mich im großen Umfeld umschaue, sieht es gar nicht mal so gut aus. Würden wir von jedem, der Fine von oben herab und damit nicht auf Augenhöhe begegnet einen Euro bekommen, hätten wir unser Haus lange abgezahlt. Je enger der Kreis wird, desto mehr Menschen sind jedoch dabei, die Fine als echten Menschen wahrnehmen. Die sie begrüßen und sie ansprechen, bestenfalls schätzen und zumindest nicht angaffen. Daher ist der Blick auf mich und uns als Kernfamilie nun ganz schön spannend. Denn wir können von anderen keine inklusiven Begegnungen erwarten, wenn wir es selbst nicht hinbekommen. 

Fine ist nonverbal und scheint kognitiv sehr eingeschränkt zu sein. Auch körperlich ist sie auf ganzer Linie auf Hilfe angewiesen. Allerdings macht sie sich bemerkbar, wenn sie etwas doof findet. Und sie lächelt, wenn sie genießt. Das ist schon eine große Erleichterung im Umgang mit ihr. Dennoch ist natürlich zwischen Zufriedenheit und Verdruss eine große Ungewissheit, in der wir einfach raten und versuchen einen guten Mittelweg zu finden. Zwischen unzähligen sich bietenden Gegensätzen versuchen wir für Fine ein Yin Yang zu finden, mit sie sich und mit dem wir alle uns wohl fühlen können.  

Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich Fine als Bereicherung in meinem Leben sehe. Sie ist ein Vorbild in vielen Dingen und sie wirkt auf mich in sich ruhend und manchmal auch weise. Das mag ich sehr an ihr. Und Fine behält alle Geheimnisse für sich – Ehrenwort!  

Aber sind wir auf Augenhöhe?  

Ich denke, alles was Fine selbst bestimmen kann, darf sie auch bestimmen und diese Entscheidungen werden von uns akzeptiert.  Sogar, wenn es um Leben und Tod geht, haben wir Fine und ihren eigenen Weg gut im Blick. Hier macht es sich gut, dass ich die Akzeptanz als Schlüssel zur Resilienz kennen lerne dürfte, als ich vor einigen Jahren an einem Resilienzpractitionerkurs bei nestwärme teilnehmen durfte. 

Manchmal müssen aber auch Sachen sein, von denen ich weiß, dass Fine sie ganz sicher nicht gut findet. Und sie muss trotzdem durch – das geht aber unserer großen Tochter und Alex auch nicht anders. 😉 Und, ganz ehrlich: es ist jetzt nicht so, als müsste ich nicht auch auf Dinge verzichten oder wiederum andere Sachen machen, weil Fine mich gerade in der Hand hat. 

Insgesamt würde ich also schon sagen, dass ich Fine als mein Gegenüber mit all ihren Bedürfnissen und Gefühlen respektiere und sie so annehme, wie sie ist. Auch ihre Rechte kenne ich und versuche so gut es geht, ihr diese zu gewähren.  

Alex geht es ähnlich. Auch er ist mit Fine auf Augenhöhe.  Oder sagen wir, wir sind es fast. Ehrlich gesagt ist es ja auch auf dem Bild zu sehen. 

Denn im Vergleich mit unserer großen Tochter schmieren wir ab. Sie ist wirklich mit Fine auf Augenhöhe. Ohne Frage. Ohne Wenn und Aber. Ganz echt und aus dem tiefstem Herzen. Sie setzt sich für Fine ein. Dafür, dass Fine machen kann, was Kinder gerne machen. Dafür, dass sie lange Haare haben darf, wie Fine es bestimmt gerne hätte. Dafür, dass Fine ein Schwimmabzeichen bekommt, weil sie sich so toll auf der Wasseroberfläche halten kann. Und weil ihr kein offizielles Abzeichen zusteht, wird eben eins gebastelt. Das ist Fines Recht und wird durchgesetzt. Und auch die Bedürfnisse der kleinen Schwester werden, wenn auch nicht gleich selbst erkannt, doch stets akzeptiert. Das ist beeindruckend. Und das ganz ohnse sich dabei selbst zu vergessen. Da sind beide uns gute Vorbilder. 

Sagen wir, wir sind ein gutes Team. Und bestimmt auf Augenhöhe. Zumindest ungefähr. 

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